Herbert, der edle Flusskrebs! <- zurück
„Nein, nicht schon wieder! Alarmstufe Rot - Menschen im Anmarsch!“ gurgelte einer der Flusskrebse seinen Artgenossen zu. „Hoffentlich ist da nicht wieder so ein zotteliges Tier auf vier Beinen mit dabei“ murmelte er gestresst vor sich hin. „Bringt euch in Sicherheit. Ich werde sie inzwischen ablenken, damit ihr genug Zeit habt, um euch zu verstecken"ergänzte er seinen Alarmruf. Er sah seine drei Freunde von dannen schwimmen und dann tauchte er vorsichtig seitlich vom großen Stein, der zwar im Wasser lag, aber noch oben hin reichlich aus dem Wasser ragte vorbei und reckte seine linke Schere, die ganz vorne bei den Greifzangen schimmernd blau war, aus dem Wasser und wartete ab.
Plötzlich ruckelte der Stein ein klein wenig und über ihm stand ein riesiges großes Wesen – ein Mensch – und starrte ihn an. „Es hat funktioniert. Der Mensch sieht mich, ist dadurch abgelenkt und somit sind die anderen nicht mehr gefährdet“ dachte sich der Flusskrebs und wollte sich jetzt aber so schnell wie möglich wieder zurückziehen. Da nichts passierte, wartete er ab. Er war ein wissbegieriges Kerlchen und die Menschen interessierten ihn ganz besonders. Er verstand ihr ganzes Gehabe nicht, aber neugierig machten sie ihn trotzdem. Aus einem sicheren Versteck aus beobachtete er sehr oft, wie sie sich zuerst durch’s Gebüsch, welches seitlich des Flusses steil bergab stand, quälten und dann ganz entzückt über den Flussstrand mit seinen vielen großen und kleinen Steinen, auf denen man sich gut niedersitzen konnte, waren. Viele saßen dort dann ganz ruhig – für ihn unverständlich – und beobachteten das Wasser, wo immer wieder auch viele Enten schwammen. Manche streuten auch Futter für die Enten aus, da konnte der Flusskrebs und seine Freunde dann immer auch etwas mitnaschen. Schmeckte zwar komisch, machte aber auch satt. Das war die Hauptsache. „Nur nicht zu viel arbeiten für’s Futter in meinem Alter“ dachte er sich „Immerhin bin ich bald 20 Jahre“. Für einen Flusskrebs ein sehr hohes Alter und er war stolz darauf, so lange überlebt zu haben.
Eines Tages war da so ein vierbeiniges Zotteltier mit den Menschen mit. Herbert wusste inzwischen, dass es sich Hund nannte. Er war da einfach zu langsam. Dieses Vieh stürmte aus dem Gebüsch, hatte ihn sofort entdeckt, als er sich zu weit aus dem Wasser wagte um sich zu sonnen, erwischte ihn im letzten Moment bei seiner rechten blau schimmernden Schere, schüttelte ihn, und er konnte sich nur mehr an ein „Krax“ erinnern und dass ein fürchterlicher Schmerz durch seinen ganzen Körper fuhr. Er konnte noch hören, wie der Hund von den Menschen, zu denen er wohl gehörte, gescholten wurde und er ihn daraufhin fallen ließ. Er ergriff instinktiv nur mehr panisch die Flucht und tauchte bis in die Mitte des Flusses und ließ sich vorsichtig auf den Flussboden gleiten. Dort beruhigte er sich erst einmal und sah erst dann, dass ihm eine seiner wunderschönen Scheren fehlte. Und es tat richtig weh. Aber noch viel mehr weh, tat die Tatsache, dass er damit das Wichtigste, was man für die Nahrungssuche und Verteidigung benötigte, verloren hatte. Der Schmerz würde nicht lange anhalten, das wusste er. Das Ganze hatte er schon miterlebt, als ihm bei einem Hochwasser zwei Beine auf der linken Seite weggerissen wurden, als er sich an einem Stein festklammerte und ein im Fluss treibender Ast eines Baumes auf seinen Körper donnerte. Aber immerhin hatte er alles überlebt. Er war zwar nun nicht mehr der tolle Hecht, dem die Krebsladys nachschauten, aber er hatte durch seinen Mut eine beachtliche Fan-Gemeinde unter den Flusskrebsen und auch anderen Mitbewohnern des Flusses gewonnen. Er unterstützte wo er nur konnte und schlug Alarm, wenn er Gefahr wahrnahm. Mit wenigen Ausnahmen war immer er es, der einen Angreifer ablenkte bzw. eine Gefahr früh genug erkannte, sodass sich die anderen in Sicherheit bringen konnten. So wie es soeben der Fall war.
„Was starrt mich dieser Mensch so an. Normalerweise werfen sie Steine nach mir, damit ich mich bewege“ dachte sich der mutige Flusskrebs, als nichts weiter geschah. Inzwischen war ein zweiter Mensch dazugekommen, der sich ebenfalls nur über ihn beugte und ihn anschaute. Jetzt wurde er noch etwas mutiger und krabbelte unter dem Stein hervor und schwamm im seichten Wasser zum nächsten Stein. So nahe hat er sich noch keinem Menschen gezeigt. Aber es war auch noch keiner dabei, der ihn nur anschauen wollte, wie er feststellte. Ein bissl stolz wurde er jetzt auch, konnte er doch sehen, dass diese Menschen ein freundliches Gesicht machten und sich offensichtlich sehr über ihn freuten und das, obwohl er nur mehr eine Schere hatte. Da er nun mit dem Kopf aus dem Wasser ragte, konnte er auch ein paar Wortfetzen verstehen. Er hörte noch, wie der eine Mensch zum anderen sagte: „Das ist ab sofort der Herbert, der Name passt zu ihm, oder?“ Der andere stimmte gleich zu „Ja, da bin ich voll bei dir. Herbert ist perfekt“. Der mutige Flusskrebs, der soeben den Namen Herbert bekam, krabbelte nun doch schnell weiter und versteckte sich wieder unter seinem großen Stein. Was die beiden Menschen nicht sehen konnten, er strahlte über das ganze Gesicht. „Herbert, das ist aber wirklich ein schöner Name. Jetzt bin ich der erste edle Flusskrebs mit einem eigenen Namen. Wauh, dass mir das in meinem Alter noch gegönnt ist“ freute sich Herbert der Flusskrebs so richtig. Als er dann wieder unter dem Stein hervorlugte, sah er noch, wie diese beiden Menschen in Richtung Gebüsch marschierten und dann verschwunden waren.
Herbert war so richtig glücklich. Er konnte einen Menschen einmal ganz von der Nähe sehen und ein bisschen beobachten, das war für einen wie ihn etwas ganz Seltenes. Herbert jubelte und ließ sich von den Flusswellen dahintreiben. Das musste er seinen Freunden erzählen…….